Und der Elefant?
Am 25.3.2003 flatterte folgende Mail in meinen ohnehin schon vollen Briefkasten, die ich hier (ohne Namen und Mail-Adressen) wiedergebe.
Sehr geehrter Herr Paysan, wir sind darauf aufmerksam gemacht worden, dass Sie auf der unter der Internetdomain www.jwdt.com/paysan/bush/ abrufbaren Website eine satirische Darstellung der Politik des amerikanischen Präsidenten Bush unter Verwendung der Zeichentrickfiguren der "Maus" und "Elefant" aus der "Sendung mit der Maus" zum Abruf bereit halten. Wie Ihnen bekannt sein dürfte, strahlt der Westdeutsche Rundfunk Köln seit über 30 Jahren regelmäßig die überaus beliebte Kindersendung "Sendung mit der Maus" aus, deren zentrale Akteure die "Maus" und der "Elefant" sind. Sendung und Figuren erfreuen sich bei Erwachsenen und Kindern einer überdurchschnittlichen Publikumsakzeptanz. Hinzukommt, dass "Maus" und "Elefant" Gegenstand einer umfassenden Merchandisingauswertung sind. Die Westdeutsche Rundfunkwerbung GmbH (WWF) ist Inhaberin der weltweit exklusiven Nutzungsrechte an der "Maus" und dem "Elefanten" gemäß § 31 Abs. 3 UrhG. Durch die Nutzung von "Maus" und "Elefant" verstoßen Sie gegen §§ 31 Abs. 3, 97 Abs. 1 UrhG. Auch wenn wir uns natürlich freuen, dass die "Maus" und der "Elefant" bei Ihnen offenbar in bester Kindheitserinnerung geblieben ist, ist uns sehr daran gelegen, die "Maus" und den "Elefanten" nicht in politische Auseinandersetzungen zu ziehen. Dies würde der Verpflichtung des WDR zur weltanschaulichen Neutralität zuwiderlaufen, an die sich auch die WWF als 100 %-iges Tochterunternehmen des WDR gebunden sieht. Wir haben Sie daher aufzufordern, diese Zeichentrickfiguren unverzüglich aus ihrem Internet-Angebot zu entfernen und uns dies schriftlich zu bestätigen. Anderenfalls sehen wir uns leider gezwungen, Sie förmlich abzumahnen. Freundliche Grüße Westdeutsche Rundfunkwerbung GmbH (WWF)
Die Rechtslage ist natürlich anders: §51(1) UrhG, das "Kleinzitat" erlaubt es, kleine Teile eines anderen Werkes in das eigene Werk zu integrieren. Bei Abbildungen kann hier das ganze Bild aufgenommen werden, da Teile u.u. keinen Sinn machen.
§24(1) UrhG gestattet zudem eine freie Verwendung von anderen Werken; dieser Paragraph ist insbesondere für Parodien anzuwenden. Wenn sich der WDR gegen die politische Maus-Satire wehren will, möge er bitte erst mal den Klaus auf Extra3 (NDR) abmahnen, der den Rundfunksstaatsvertrag offensichtlich ganz anders interpretiert.
$57 UrhG gestattet zudem die Vervielfältigung von Werken, wenn sie als "unwesentliches Beiwerk" anzusehen sind.
Für mich ist das ein Eingriff in meine persönlichen Rechte (Artikel 5 GG, Meinungsfreiheit), und absolut nicht im Einklang mit dem Gesetz. Die Meinungsfreiheit endet erst bei Ehre und Ruf des Betroffenen, nicht bei seinen Verwertungsrechten.
Ich habe deshalb höflich beim WDR nachgefragt, ob das wirklich die juristische Auffassung des ansonsten so liberalen Senders ist. Die Antwort war folgende:
Wir teilen auch Ihre rechtliche Einschätzung nicht, dass es sich hier um "Zensur" (die ja nur durch staatliche Stellen ausgeübt werden) handelt. Es geht sowohl der WWF-GmbH als auch uns nur um die Verteidigung unserer Rechte. Es handelt sich auch nicht um eine zulässige freie Benutzung nach §24 UrhG, denn die Voraussetungen, die an eine im Rahmen von §24 UrhG zulässige Parodie gestellt werden, sind in vielerlei Hinsicht nicht erfüllt. Mit freundlichen Grüßen Westdeutscher Rundfunk Köln
Lieber WDR, auch wenn ihr nicht den ganzen Tag mit dem Grundgesetz unter dem Arm herumlaufen könnt: Das gilt für alle, nicht nur für den Staat. Folter kann man auch nicht einfach so "outsourcen". Abgesehen davon ist der Westdeutsche Rundfunk Köln eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt, wird also staatnah betrieben. Sonst müßte man ja auch keine Rundfunkgebühren bezahlen, oder? Und natürlich möchte auch ich nur meine Rechte (also Artikel 5 GG, Meinungsfreiheit) verteidigen.
Über den §24 UrhG kann man sich trefflich streiten (die Verfahren enden oft erst am Bundesgerichtshof - das dauert mir zu lang und ist auch zu teuer). Ein Fan hat im Kommentar zum UrhG (Schricker, Beck, München 1987) folgende Auffassung gefunden:
§24 RN9: "Freie Benutzung setzt vorraus, dass das fremde Werk nicht in identischer oder umgestalteter Form verwendet wird, auch nicht als Vorbild oder Werkunterlage, sondern lediglich als Anregung für eigenes Schaffen dient." Das ist lt. BGH der Fall, wenn "... die entnommenen Züge des Benutzten Werks gegenüber der Eigenart des neugeschaffenen Werks verblassen ... Je ausgeprägter die Individualität des benutzten Werkes ist, desto weniger wird es gegenüber dem neugeschaffenen Werk verblassen. ..."
Weiter unter §24 RN10: "... Daher ist es für die Annahme einer freien Benutzung noch nicht ausreichend, dass das neugeschaffene Werk weiterführende, über die Entlehnung hinausgehende Teile von selbständiger und schöpferischer Eigenart enthält. ..."
Solange man sich auf die Bilder als solche konzentriert, ist die Rechtsauffassung des WDRs natürlich nicht abwegig. Allerdings will ich ja nicht die Comic-Figuren persiflieren, sondern die Sendung mit der Maus als solche, und die Comic-Figuren sind nunmal das Markenzeichen dieser Sendung (ähnlich dem Jingle, den der Klaus von Extra3 seinen Maus-Persiflagen voranstellt - da der WDR ja so streng auf seine Rechte achtet, vermute ich mal, dass der NDR da auch keine Lizenz hat).
Diese Markenzeichen verwende ich lediglich, um den Bezug zum persiflierten Werk herzustellen. Sie stehen nur am Rand, ohne direktem Bezug zum Text. Da die echte Maus ja ausdrücklich aus der politischen Auseinandersetzung herausgehalten wird, und auch nicht vom WDR in satirischer Weise verwendet wird, ist meiner Meinung nach eine ausreichende Eigenart des neugeschaffenen Werkes vorhanden, das die freie Verwendung rechtfertigt. Das entkräftet nämlich das mögliche Argument, dass ja nicht die Maus Ziel des Spotts sei, sondern die Politik des Herrn Bush, und der Charakter der Maus gar nicht verändert würde.
Die juristische Auseinandersetzung mit einem vom Gebührenzahler finanziell bestens ausgestatteten Sender werde ich trotzdem nicht aufnehmen.
Lang hat's gedauert, aber irgendwie muss die Humorlosigkeit im Raum Köln/Bonn grassieren (und ich dachte, die sei mit dem Umzug des Parlaments nach Berlin gewandert). Am 24.6.2004 flatterte wieder mal eine Mail mit RTF-Attachment in meine Mailbox. In der teilt mir ein Anwalt mit:
Sehr geehrter Herr Paysan, Frau Astrid Posegga, Rechtsnachfolgerin der verstorbenen Komponisten der Titelmusik zur Sendung mit der Maus, Hans Posegga, hat uns mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt. Ordnungsgemäße Bevollmächtigung wird anwaltlich versichert. Sie verwenden unter der Webseite "Das ist der Herr Bush ....." die Musik, deren Rechte ausschließlich unserer Mandantin zustehen. Wir haben Sie daher aufzufordern, diese Musik unverzüglich aus Ihrem Internet-Angebot zu entfernen, uns dies schriftlich zu bestätigen und sich zu verpflichten, es bei Meidung einer für jeden Fall der Zuwiderhandlung verwirkten Vertragsstrafe von je 5.000,00EUR zu unterlassen, die Titelmusik zur Sendung mit der Maus oder Teile davon zukünftig in irgendeiner Form zu verwenden. Sollten Sie dieser Aufforderung nicht bis zum 30. Juni 2004 entsprechen, werden wir unserer Mandantin die Einleitung gerichtlicher Schritte anraten.
Der verwendete Teil des Jingles ist 4,5 Sekunden lang, das Original (das ich mir zum Vergleich erst mal aus dem Web besorgt habe) ist 20 Sekunden lang. Meiner Meinung handelt es sich hierbei ebenfalls um ein Kleinzitat nach §51(1). Musiksampler dürfen auch bis zu 16 Takte anspielen, ohne dass GEMA-Gebühr fällig wird.
Ich habe dem Rechtsanwalt etwas Zeit gelassen, seine Behauptungen zu untermauern (insbesondere, dass Frau Posegga tatsächlich Rechteinhaberin ist, und nicht, wie zu vermuten, der WDR), und da nichts gekommen ist, das Backup mit Jingles wieder hochgeladen.
Und als Schlusswort natürlich Tucholsky: "Was darf Satire? Alles".