Wort oder Unwort?

Die Welt könnte so einfach sein: Den Rassisten erkennt man daran, dass er "Neger" sagt, Politiker sagen immer die Wahrheit, Satiriker kann man wörtlich nehmen, und niemand braucht hinter die Lügen der Politiker zu blicken, oder zwischen den Zeilen der Satire zu lesen.

"Wenn die Worte falsch sind, gelingen die Taten nicht" - Konfuzius

Ist "Neger" ein Unwort? Seit wann? Und "Schwarzer" nicht?

Mein Duden (von 1986) enthält das Wort "Neger" (ohne Verweis auf das Synonyms "Schwarzer" - der geerbte Duden von 1937 verweist dagegen auf das Synonym), und auch das Wort "Nigger", wobei letzteres definiert ist als "verächtlich für Neger" (auch schon 1937). Es gab dann etwas später eine längere Diskussion zwischen schwarzen Bürgerrechtlern und der Dudenredaktion darüber, ob dieses Wort (also "Neger") nun ein Unwort sei oder nicht. Natürlich ist "Neger" immer noch im Duden drin - allerdings als "problematischer Begriff" gekennzeichnet, denn es ist nach wie vor ein Wort, das zumindest in Teilen Süddeutschlands recht gebräuchlich ist (in Bayern z.B.). Das mag gedankenlos sein, oder einfach eine regionale Eigenart, die die Entwicklung im Rest Deutschlands nicht mitmacht.

Als Linguisten kann man die Duden-Redaktion auch nicht so einfach vor den Karren der "Political Correctness" spannen, weil Linguisten der Meinung sind, daß neue Wörter für alte Sachen schnell den alten Geschmack annehmen. Ich möchte damit nur klar machen, daß "Neger" vor gar nicht langer Zeit noch ein "ganz normales" Wort war, und daß ein nicht unerheblicher Teil unserer Bevölkerung das nach wie vor so sieht (auch wenn es eben aus der Zeit stammt, als sich die Weißen zur "Herrenrasse" ernannt haben). Es ist sicher kein eindeutiges Erkennungszeichen für Rassisten.

Interessant wird's allerdings, wenn man sich "Schwarze" ansieht (das ja allgemein als "neutral" angesehen wird). Das nämlich sind (laut Duden von 1986)

  1. "Neger" (hier also ein Rückverweis)
  2. "Teufel"
  3. der schwarze Punkt in der Zielscheibe

Fehlt natürlich "religiös Konservative", also Leute wie Bush, Merkel und Stoiber.

Daneben gibt's noch eine ganze Reihe negativer Wörter mit "schwarz"; als angeblich "selbstgewählte" politisch korrekte Bezeichnung ist das Wort nicht wirklich glaubwürdig. Das Wort "Schwarzer" ist nicht neuer als "Neger", eher älter; gerade die ersten deutschen Missionare haben üblicherweise "schwarze" geschrieben, und als nächstes dann (damit's auch jeder versteht, wessen Geistes Kind sie sind) "Teufel". Und haben ihre Abneigung auch gleich noch mit Kannibalismusvorwürfen garniert. Das Apartheitsregime in Südafrika hat auch offiziell immer von Schwarzen ("Blacks") gesprochen. Dass Betroffene in Deutschland meist als "Neger" und selten als "Schwarzer" beleidigt werden, liegt sicher daran, dass im Sprachgebrauch ersteres gebräuchlicher ist. Setzt sich die Ächtung des Begriffs "Neger" tatsächlich durch, wird wohl bald "Schwarzer" auf der Liste der Unwörter folgen.

"Warum nennt ihr uns schwarz? Sind wir nicht eher braun? Warum nennt ihr euch weiß? Seid ihr nicht eher rosa?" - Steve Biko

Psychologie und Linguistic

Natürlich bleibt nach ein Jahrzehnt Political Correctness etwas hängen. Wörter ändern ihren Unterton, und "Neger" ist heute kein neutrales Wort mehr (aber als solches will ich es auch nicht verwenden). Da hilft auch nicht, daß "Negro" ja eigentlich nur Spanisch für "Schwarz" ist - und "Schwarz" seit jeher einen negativen Beigeschmack hat.

Kann man "Neger" nicht durch eine politisch korrekte Formulierung ersetzen?

"Und wenn in Texas jemand umgebracht wird, hängt man den nächstbesten Afro-Amerikaner auf" ist ok? Finde ich nicht. Es ist einfach nicht ok, wenn man einfach seine Ängste auf eine Minderheit richtet, und die zum Sündenbock stempelt. Das Kapitel "Tötet die Weißen" in "Stupid White Man" von Michael Moore ist da wirklich lesenswert. Ich möchte in diesem Zusammenhang das Wort "Neger" schon so verstanden wissen als Übersetzung des amerikanische Gegenstück "Negro": als Hinweis auf rückwärts gewandten Rassismus, der leider in Amerika noch längst nicht Vergangenheit ist. [html]Das ist nunmal ein satirischer Text, und ich identifiziere mich nicht wörtlich mit dem, was ich da schreibe.

Kindersprache

"Neger" ist immer noch Bestandteil der Kindersprache ([html]Negerkuß, zehn kleine Negerlein als Auszählreim); leider auch die verächtliche Form "Nigger". Kinder werfen sich alle möglichen Wörter an den Kopf - hauptsächlich verwenden weiße Hip-Hopper "Nigger" untereinander, weil sie das "cool" finden - auch wenn's eher dumm ist. Und vor dem "Schwarzen Mann" laufen alle davon - wenn er kommt. Wobei der ja wohl ursprünglich der Teufel war.

Kinder bewerfen sich auch mit "ganz normalen" Wörtern, schließlich haben sie oft Probleme mit Andersartigkeit. Als ich mit fünf von Konstanz nach München umgezogen bin, hat im Kindergarten auch gleich einer gefragt "Is des a Ausländer?". Was anders ist, spielt gar keine Rolle, deshalb sind Wörter wie "Mädchen" oder "Kleinkind" und natürlich auch "Neger", "Türke" oder generell "Ausländer" schnell zur Hand, wenn es darum geht, jemanden zu beleidigen. Die beleidigen dann genauso schnell zurück, etwa mit "Kartoffel".

Ich möchte die Kindersprache auch nicht als besonders intelligent oder fortschrittlich verteidigen: Das ist sie sicher nicht. Genau das ist aber der Punkt meiner Satire: Das kindische Verhalten von Bush und Konsorten herauszuarbeiten. Deshalb verwende ich ja Kindersprache.

Politisch korrekte Wort-Ungetüme wie "Afro-Amerikaner" sind natürlich nicht Bestandteil dieser Sprache, und auch nicht so leicht ins Deutsche zu übertragen. Letztendlich ist das hierzulande nur eine kleine Gruppe (auch "Afro-Deutsche"), die dann immer noch unter denselben Oberbegriff fallen würde. Kinder sind einfach nicht politisch korrekt; man kann schon froh sein, wenn sie zu der Erkenntnis kommen "Das sind ja auch Menschen!".

Fremdbezeichnung

Eine häufig vorgebrachte Begründung für die Ablehnung des Terminus "Neger" ist die Ablehnung einer "Fremdbezeichnung". Als Software-Entwickler kenne ich das: Solche Menschen werden von anderen als "Geek", "Freak" oder "Nerd" bezeichned, wobei jeweils negative Konnotationen damit einhergehen. Die Selbstbezeichnung "Hacker" ist von der Öffentlichkeit abgewertet worden, indem sie dort fast ausschließlich für Computerkriminelle gebraucht wird.

Als Minderheit muss man damit leben, dass Sprache ein Gemeinschaftswerk aller Sprecher ist, und die Mehrheit sich durchsetzt. Vorurteile, die die Mehrheit gegenüber Minderheiten pflegt, werden durch Änderungen der Sprache keineswegs beseitigt. Schwule haben irgendwann angefangen, sich selbst Schwule zu nennen, und Geeks machen es inzwischen auch so.

Natürlich wäre das Leben leichter, wenn es keine Vorurteile gäbe, und alle Menschen aufeinander Rücksicht nähmen.


Created 23mar2003. Last modified: 19feb2009 by MailBernd PaysanPGP key