Konstruktives

Ich bin als Soft- und Hardware-Entwickler überzeugter Anhänger des Prinzips "Keep it simple, stupid!" (Halte es einfach, Depp!). Dieses Prinzip gilt auch für die Politik, denn komplexe Gesetze sind genauso undurchschaubar wie komplexe Programme. Und die Folge undurchschaubarer Gesetze sind deshalb auch die gleichen: Unwartbar, Fehler ohne Ende, Kosten ohne Grenzen, Unzufriedenheit. Deutschlands Gesetzestexte, die selbst im Feinstdruck ganze Regale füllen, können es im Umfang locker mit Windows aufnehmen - und Bugs sind wohl noch viel mehr drin, weil es eine systematische Fehlersuche bei Gesetzen nicht gibt. Deshalb: Ohne radikale Vereinfachung wird das nie gut.

Vorschläge wie diese sind natürlich in unserem derzeitigen politischen System der machtgeilen und korrupten Politiker nicht durchsetzbar, aber wer hält dieses System denn für erhaltenswert?

Steuern und Sozialsysteme

Die Steuern und Abgaben eines Staates erfüllen grob vereinfacht diese Aufgaben:

  1. Die Umverteilung zwischen starken und schwachen Bürgern.
  2. Die Finanzierung der Aufgaben des Staates
  3. (und nebenbei) Das Lenken der Bürger und Unternehmen in eine bestimmte Richtung (die Steuern und Abgaben vermeidet)

Ich schlage deshalb zwei Steuern vor, die jeweils genau eine dieser beiden Aufgaben erledigen (wer nachrechnen will, findet die zusammgefassten Daten beim [html]Bundesamt für Statistik):

  1. Zur Umverteilung gibt es eine einheitliche Lohn- und Einkommensteuer. Sie fällt auf sämtliche Einnahmen und Gewinne an, also Lohn, Miet- und Zinseinnahmen, Dividenden, Erbschaften, und so weiter, ohne Ausnahmen. Diese Einkommensteuer wird komplett als "Bürgergeld" gleichmäßig aufgeteilt an alle Bürger wieder ausgeschüttet. Ein Satz von 30% gibt dann um die 650¤ pro Monat und Bürger (vom Bruttosozialprodukt aus gerechnet - vom Volkseinkommen wären es etwa 500¤).

  2. Zur Erledigung der eigentlichen Aufgaben des Staates, also zur Verwaltung, zur Bereitstellung von Infrastruktur, Bildung, Gesundheitswesen und so weiter dient die Mehrwertsteuer. Beim derzeitigen Stand der Kosten (Staatsausgaben plus Gesundheit) kommen wir auch hier auf einen Satz von ungefähr 30%.

Der Einfachheit halber werden diese Steuern normalerweise nur von Gewerbebetrieben eingezogen; eine Steuererklärung für den Normalbürger erübrigt sich daher meistens, ebenso wäre ein rein privates Beschäftigungsverhältnis steuerfrei (das ist auch jetzt so, nur heißt es jetzt "Schwarzarbeit").

Natürlich kann man bei bestimmten besonders gesellschafts-"schädlichen" oder -"nützlichen" Verhaltensweisen noch Extra-Steuern und Abgaben erheben (z.B. gesundheitsschädliche Produkte wie Tabak und Alkohol, oder auch Mineralölsteuer+Ökosteuer für Verkehrsinfrastruktur und Unfallkosten), oder auch mit entsprechend niedrigeren (z.B. Grundnahrungsmittel). Und natürlich provoziert ein solches Bürgergeld Lohndumping. Deshalb ist eine Mindestabgabe pro Arbeitnehmer sinnvoll (die könnte man z.B. für die Gesundheitskosten verwenden).

Die Staatsausgaben umfassen heute auch einen großen Posten "Umverteilung", als Sozialausgaben zusammengefasst. Und Zinszahlungen für Kredite aus der Vergangenheit. Ein Teil der Sozialausgaben wird auch weiterhin erfolgen müssen, um die zu entschädigen, die ihr Leben lang eingezahlt haben, und nach der radikalen Vereinfachung erheblich weniger bekommen würden.

Internationale Konzerne tun sich mit dem korrekten Steuerzahlen schwer. Deshalb folgender Vorschlag:

Der Gesamtumsatz des Konzerns wird in Relation zum Inlandsumsatz gesetzt. Dieses Verhältnis wird auch auf den Gewinn angesetzt. Nur der im Inland erwirtschaftete Gewinn (dem Verhältnis entsprechend) muss unbedingt hier versteuert werden. Entsprechend können natürlich auch nur Investitionen und Verlustvorträge im Inland abgeschrieben werden. Konzerntöchter werden entsprechend der Beteiligung zum Konzern hinzugerechnet. Wer durch Kreuzverflechtungen eine Doppelbesteuerung spürt, möchte sich bitte entflechten.

Verfassung

Auch unsere Verfassung ist übel zugerichtet worden. Schon am Anfang, als Bayern und Nordrhein-Westfalen die "konkurrierende Gesetzgebung" erfunden haben. Aber auch, als nach der Wiedervereinigung die gebotene Verabschiedung der Verfassung durch das Volk versäumt wurde. Dieser "Staatsstreich" der Parteien muss natürlich irgendwann rückgängig gemacht werden. Der Souverän, also das Volk, muss sich selbst eine Verfassung geben.

Demokratie ist eine Utopie, die an den Defiziten der Menschen genauso scheitert wie andere Utopien (man nehme freie Marktwirtschaft oder den Kommunismus). Die richtige Antwort auf das Scheitern dieser Utopien ist nicht zu verzagen (wie man das nach dem Ende des Kommunismus gemacht hat - und auch im Westen auf einmal den Sozialstaat für überflüssig hält), sondern den Ansatz so lange zu verbessern, bis er funktioniert.

Die Idee der Partizipation ist auch dann richtig, wenn die Leute schlecht informiert sind, und sich deshalb korrupte, machtgeile "Eliten" breit machen können, die dann die Leute gezielt verdummen, um an der Macht zu bleiben. Es muss dieser Tendenz eben entgegengewirkt werden.

Eine neue Verfassung muss sich natürlich an den grundsätzlichen Prinzipen "guten Regierens" halten, die unsere Politiker gerne von Despoten der dritten Welt einfordern, aber ungerne auf sich selbst angewendet sehen wollen:

Konfuzius sagt: Wenn das Volk kein Vertrauen in die Regierung hat, ist das Regieren unmöglich.


Created 11mar2005. Last modified: 19feb2009 by MailBernd PaysanPGP key